Inwieweit unterscheidet sich das U.S.-amerikanische Erbschaftsrecht von dem deutschen Erbrecht?

Das US-Erbrecht und das deutsche Erbrecht unterscheiden sich in mehreren wichtigen Aspekten, da sie auf unterschiedlichen rechtlichen Systemen beruhen.

Hier ist eine Zusammenfassung der wichtigsten Unterschiede:

1. Rechtsgrundlage und System

  • USA: Das Rechtssystem in den USA ist auf dem Common Law basiert, das in erster Linie durch Gerichtsentscheidungen geprägt ist. Das Erbrecht in den USA unterliegt in erster Linie den Gesetzen des jeweiligen Bundesstaates (state law). Es gibt kein einheitliches nationales Erbrecht, sodass die Vorschriften von Bundesstaat zu Bundesstaat variieren können. Die meisten Staaten orientieren sich am „Uniform Probate Code“ (UPC), der jedoch nicht in allen Bundesstaaten übernommen wurde.

  • Deutschland: In Deutschland basiert das Erbrecht auf dem Zivilrecht, das im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt ist, speziell in den §§ 1922–2385. Es gibt einheitliche Regelungen für das gesamte Land.

2. Testament und Erbfolge

  • USA:

    • Das Testament ist in den meisten Staaten die wichtigste Grundlage für die Erbfolge. Testamente können relativ einfach erstellt werden, und es gibt verschiedene Formen, wie z. B. handschriftliche Testamente oder notarielle Testamente.

    • In vielen Staaten ist es möglich, eine „living will“ oder ein „revocable living trust“ zu erstellen, was bedeutet, dass der Erblasser zu Lebzeiten über sein Vermögen weiter verfügen kann.

    • Wenn kein Testament vorhanden ist, greift die gesetzliche Erbfolge, die von Bundesstaat zu Bundesstaat unterschiedlich ist.

  • Deutschland:

    • In Deutschland gibt es ebenfalls die Möglichkeit, ein Testament zu verfassen (z. B. eigenhändig oder notariell).

    • Das Gesetz sieht vor, dass Pflichtteilsansprüche für nahe Verwandte (z. B. Kinder, Ehepartner) bestehen. Diese können nicht durch ein Testament vollständig entzogen werden.

    • Fehlt ein Testament, tritt die gesetzliche Erbfolge ein, die im BGB genau geregelt ist.

3. Pflichtteil und gesetzliche Erbfolge

  • USA:

    • Es gibt kein allgemeines Pflichtteilsrecht wie in Deutschland. Die Erblasser können die Erben nach Belieben auswählen und den Großteil ihres Vermögens an Personen ihrer Wahl vererben, auch wenn dies nahe Verwandte ausschließt.

    • In einigen Bundesstaaten gibt es jedoch Regelungen, die verhindern, dass ein Ehepartner ohne irgendeine Form von Erbe zurückgelassen wird (z. B. „forced share“ in einigen Staaten).

  • Deutschland:

    • In Deutschland müssen nahe Verwandte (Ehepartner, Kinder) mit einem Pflichtteil rechnen, selbst wenn sie im Testament nicht bedacht wurden. Der Pflichtteil beträgt in der Regel die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.

    • Die gesetzliche Erbfolge ist im BGB detailliert geregelt und berücksichtigt Verwandtschaftsgrade sowie den Ehegatten.

4. Steuerliche Aspekte (Erbschaftsteuer)

  • USA:

    • Die USA erheben auf Bundesebene eine Erbschaftssteuer (Estate Tax), die ab einem bestimmten Erbschaftswert greift. Der Freibetrag liegt hier jedoch bei 12,92 Millionen USD (Stand 2023). Darunter fällt keine Erbschaftssteuer an.

    • In vielen Bundesstaaten gibt es auch eine Erbschaftssteuer auf Ebene des Bundesstaates, die jedoch in den Regelungen sehr unterschiedlich sein kann.

  • Deutschland:

    • In Deutschland gibt es eine Erbschaftsteuer, die je nach Verwandtschaftsgrad und Wert des Erbes unterschiedlich hoch ausfällt. Die Freibeträge sind im Vergleich zu den USA niedriger und reichen von 20.000 Euro (entfernter Verwandter) bis 500.000 Euro (Ehepartner, Kinder).

    • Der Steuersatz variiert je nach Steuerklasse und dem Wert des Erbes, und es gibt verschiedene Steuerklassen, abhängig von der Beziehung des Erben zum Verstorbenen.

5. Erbengemeinschaft und Verwaltung

  • USA:

    • Erben in den USA sind oft nicht verpflichtet, als Erbengemeinschaft zu agieren, wenn es nicht ausdrücklich im Testament vorgesehen ist. Es gibt häufig die Möglichkeit, das Erbe individuell zu verwalten und zu verteilen.

    • Eine probate court (Nachlassgericht) prüft die Testamente und überwacht die Verteilung, was den Erben eine gewisse Rechtssicherheit gibt, aber auch den Prozess verzögern kann.

  • Deutschland:

    • In Deutschland müssen Erben häufig als Erbengemeinschaft zusammenarbeiten, was bedeutet, dass sie gemeinsam das Erbe verwalten müssen, bis es aufgeteilt ist. Dies kann zu Konflikten führen, wenn sich die Erben nicht einig sind.

    • Die Verwaltung des Erbes kann durch den Nachlassverwalter erfolgen, der entweder vom Erblasser testamentarisch eingesetzt oder vom Gericht ernannt wird.

6. Ehepartner und Erbrechte

  • USA:

    • Der Ehepartner hat in den meisten Bundesstaaten nur dann Anspruch auf einen Anteil des Nachlasses, wenn er im Testament erwähnt wurde, oder im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge.

    • In einigen Bundesstaaten gibt es jedoch Schutzregelungen, wie die „elective share“, die dem Ehepartner zumindest einen Mindestanteil an dem Nachlass garantiert.

  • Deutschland:

    • Der Ehepartner hat nach deutschem Erbrecht einen gesetzlichen Erbanspruch. Der Anteil des Ehepartners hängt davon ab, ob die Ehegatten in Gütergemeinschaft leben und ob Kinder oder andere Verwandte vorhanden sind.

    • In der Regel erhält der Ehepartner neben den Kindern einen Anteil von einem Viertel bis zu einem halben Erbteil, abhängig von der Güterstand der Ehe.

7. Testamentarische Verfügungen und Trusts

  • USA:

    • In den USA sind Revocable Living Trusts* sehr verbreitet. Diese ermöglichen es dem Erblasser, während seines Lebens über das Vermögen zu verfügen und gleichzeitig eine Nachlassregelung zu treffen, ohne dass ein Testament durch ein Gericht geprüft werden muss.

    • Wills (Testamente) sind ebenfalls weit verbreitet, aber das probate Verfahren (Nachlassabwicklung durch das Gericht) ist üblich.

  • Deutschland:

    • In Deutschland gibt es keine Living Trusts wie in den USA. Die nachlassrechtlichen Bestimmungen konzentrieren sich auf Testamente und Erbverträge, die vor einem Notar abgeschlossen werden können.

Fazit:

  • Das US-Erbrecht ist durch die Vielfalt der Bundesstaaten geprägt, was zu unterschiedlichen Regelungen führen kann. Es gibt in der Regel weniger Einschränkungen durch Pflichtteilsrechte und mehr Möglichkeiten für individuelle Verfügungen wie Trusts.

  • Das deutsche Erbrecht ist einheitlicher, stark reguliert und berücksichtigt in vielen Fällen die Rechte von Pflichtteilsberechtigten (z. B. Kindern und Ehepartnern). Es gibt weniger Flexibilität für den Erblasser, wenn es um die Entziehung von Erbteilen geht, besonders bei den Pflichtteilen.

  • Das bedeutet, dass in den USA der Erblasser mehr Freiheit hat, seine Erben zu bestimmen und Nachlassregelungen zu treffen, während das deutsche Erbrecht auf den Schutz der engen Familienangehörigen abzielt.

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